Kapitel 48: Die Zeit rennt
Das ist mir heute in der Schule so richtig bewusst geworden als ich einen Blick in meinen Terminplaner geworfen habe. Wie soll ich denn in meinen letzten Schultagen noch all das machen was ich mir vorgenommen hatte?
In der ersten Klasse sind wir gerade noch mit einem anderen Thema beschäftigt, auch wenn es eigentlich Zeit wäre mit meinem Buch zu beginnen, das die Schüler zum Jahresende gestalten sollen. Übermorgen werde ich dann aber erst einmal meine Heimat und meine Familie vorstellen und ganz viele Bilder mitbringen. Ein bisschen seltsam, dass ich das ganz am Ende mache, aber jetzt bin ich wenigstens in der Lage Dänisch zu sprechen und kann so auch selbst etwas zu den Bildern erzählen.
Birgitte kann auch jetzt noch nicht sprechen und so übernehme ich weiterhin den Unterricht. Heute hat eigentlich alles ganz gut geklappt und ich habe nach dem Englischunterricht positive Rückmeldung von Birgitte bekommen, was mich sehr gefreut hat. Allerdings merk ich, dass in diesen Stunden mein Gehirn ganz schön ackern muss. Die Kinder sagen etwas in Dänisch, ich wandle das in meinem Kopf in Deutsch und im nächsten Schritt wieder in Englisch um, um auf Englisch antworten zu können. Da qualmt der Kopf… Heute war auch mächtig viel zu tun und ich war nach der Schule ganz schön erledigt. Da ist es nicht gerade hilfreich, dass ich schon wieder neue Mitbewohner habe, die noch wesentlich lauter sind als die Letzten und mir somit schlaflose Nächte bescheren. Ich wünsche mir die Italiener wieder herbei… Dieses Mal kommen sie aus Island, um für einen Monat in Dänemark zu arbeiten. Da sie auch kein Interesse haben mit Nicht-Isländern zu sprechen, habe ich allerdings keine Ahnung was sie arbeiten. Sie sind auch nur in ihrer Gruppe und Bier trinkend anzutreffen. Jedenfalls ist mir letzte Nacht wirklich der Kragen geplatzt. Am Wochenende lass ich mir das ja vielleicht noch eingehen, aber muss das unter der Woche sein, wenn man am nächsten Tag arbeiten muss?! Es kann ja wohl nicht sein, dass die mitten in der Nacht (2 Uhr!) im Gang stehen und sich lauthals unterhalten, Türen schmeißen, von einem Stockwerk ins nächste rufen etc. Ich persönlich kann es gar nicht nachvollziehen wie man so wenig Rücksicht auf seine Mitbewohner nehmen kann. Ich werd ja nicht oft richtig sauer auf andere, aber ich kann es nun einmal gar nicht leiden, wenn mich jemand um meinen Schlaf bringt. Ein bisschen verschreckt haben sie mich dann schon angeguckt, aber ich werde nächste Nacht wohl sehen, ob es etwas gebracht hat.
Nun aber wieder zurück zum eigentlichen Thema: der Zeit. Es ist Wahnsinn wie schnell diese sechs Monate vorbei gegangen sind. Kurz bevor es los nach Odense ging hab ich mir folgende Frage gestellt: Warum machst du das eigentlich?? Aber Kneifen wollte ich auch nicht und so habe ich mich ins Ungewisse gestürzt. Und rückblickend kann ich sagen, dass ich keine einzige Sekunde bereue. Ich erinnere mich noch gut an meinen ersten Schultag, als ich ganz allein vor allen Lehrern stand und mich vorstellen sollte. Und heute freue ich mich immer auf die Pausen, wo ich so viele freundliche Menschen sehen kann, die mich aufgenommen haben. Und dass die Zahl der Kinder, die mich morgens begrüßen und umarmen mit der Zeit nicht weniger sondern mehr geworden ist, zeigt mir, dass ich meine Sache doch wohl auch irgendwo richtig gemacht habe. Die Kids werde ich auch wirklich vermissen, das ist mir jetzt schon klar. Die Nervigen vielleicht nicht ganz so sehr… Haha, Scherz.
Meine Zeit in Dänemark habe ich bestens genutzt, denn ich habe die meisten Sachen, die ich unbedingt sehen wollte, auch wirklich gesehen. Und seit Sonntag kann ich einen weiteren Haken auf meiner To-Do-Liste verzeichnen: im Meer baden gehen. Ha, da schaut ihr! Ich muss ja niemandem verraten, dass die Wassertemperatur bei gerade mal 14 Grad war und mir beinahe alles abgefroren ist. Das Wichtige ist: ich hab es getan. Jetzt kann ich in wenigen Tagen beruhigt abreisen. Die Tage sind gezählt, aber ein bisschen Zeit ist nicht übrig!
marilyn goger am 11. Juni 13
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