Mittwoch, 10. April 2013
Kapitel 30: Interkultureller Austausch und Sozialleben
Es ist an der Zeit, dass ich mal wieder etwas über das typische Alltagsleben schreibe. Eines der wichtigsten Anliegen von dem Programm COMENIUS ist es, eine Basis für internationale Zusammenarbeit zu schaffen und den Austausch zwischen verschiedenen Ländern zu fördern. Zumindest für mich trifft das voll und ganz zu und ich hatte noch nie mit so vielen unterschiedlichen und interessanten Menschen zu tun. Das liegt wohl vor allem auch daran, dass ich hier in einem Wohnheim lebe, in dem viele ausländische Studenten untergebracht sind. Ganz automatisch kommt man in der Kantine mit Leuten ins Gespräch, mit denen man normalerweise vielleicht gar nicht gesprochen hätte (sei es aufgrund von Vorurteilen oder was auch immer).

Jedenfalls ist es für mich immer interessant zu hören, welche besonderen Traditionen und Eigenarten ein Land hat. So hat mir zum Beispiel Anu aus Sri Lanka erzählt, dass sie an Vollmondtagen fasten und nachts zusammen zum Tempel wandern, um dort zu beten. Zsuzsanna aus Ungarn hat auch von einer „netten“ Tradition zu Ostern erzählt: die Männer gehen umher, um die Frauen zu „wässern“. Das heißt also, dass sie die Frauen meist mit einem Glas kaltem Wasser begießen, damit sie wachsen wie schöne Blumen. Der Hintergedanke ist ja eigentlich ganz schön, aber meist artet es wohl darin aus, dass alle Frauen patschnass sind und sich mehrmals am Tag umziehen müssen. Ich finde es amüsant, so lang ich an diesem Tag nicht selbst in Ungarn bin.

Unsere Kantine hatte über Ostern geschlossen, sodass wir uns selbst versorgen mussten. Am letzten Abend wurde ich von den Franzosen Andrea (hier: Männername), Frédéric und Christophe zum Crèpes-Essen eingeladen. Das hab ich mir natürlich nicht zwei Mal sagen lassen! Laura und Miguel haben außerdem noch etwas typisch Spanisches gekocht (eine Art Omelette mit frittierten Kartoffeln und Zwiebeln) und so haben wir zusammen gegessen. Die Küche war mit Menschen aus allen Ländern gefüllt und es machte gar nichts, wenn man mal etwas länger auf die passende Pfanne warten musste, da es genug zu reden gab. Die Crèpes waren übrigens richtig super und die Franzosen hatten so viel Vertrauen, dass ich auch mal ein paar machen durfte ;-) Allerdings waren es so viele, das am Ende so ziemlich jeder mitgegessen hat. Und trotzdem hatten wir noch welche für den nächsten Abend übrig!

Vergangene Woche hatte ich erst ein sehr interessantes Gespräch mit Laura, Miguel und Andrea über unsere Schulsysteme und Vorurteile à la „Spanier kommen immer zu spät“, „Franzosen wollen keine andere Sprache als ihre eigene sprechen“ und „Deutsche sind überkorrekt“. Bei der Gelegenheit stellte sich heraus, dass Franzosen sich ganz oft einfach nicht in Englisch ausdrücken können, da die Kenntnisse nicht dafür ausreichen. Gut zu wissen, oder?

An der Abschiedsfeier von Rok saßen wir im Gemeinschaftsraum zusammen und da kam plötzlich die Idee auf, dass jeder ein bekanntes Lied aus seinem Land vorspielen sollte. So hat man mal Musik aus Ungarn, Slowenien, Russland, Irland, Bulgarien, Belgien und und und gehört, über die man wahrscheinlich sonst nie in seinem Leben gestolpert wäre. Das war eine super Idee!

Das Sozialleben hier im Wohnheim ist wirklich toll und ich hätte es nicht besser treffen können. Besonders erwähnenswert ist der Umgang mit Christophe, der eine Behinderung hat. Da wird ihm das Essen geholt, sein Fleisch geschnitten, die Jacke zugemacht usw. Berührungsängste konnte ich bisher noch keine feststellen und er ist völlig in das Sozialleben eingebunden. Ich mag seine Gesellschaft, da er immer gut drauf ist und es somit immer etwas zu lachen gibt. Nachdem er vor ein paar Wochen nach einer durchzechten Nacht von der Polizei zurück ins Wohnheim gebracht wurde, ist er außerdem auch bekannt wie ein bunter Hund ;-)

Es gibt noch so viel zu wissen und erleben, dass ich befürchte, dass die Zeit gar nicht dafür ausreicht. Aber ich bin froh, diese Chance bekommen zu haben! Hier seht ihr noch drei Bilder von unserem Koch-Abend. Ein Eindruck von der belebten Küche und Frédéric, Andrea und Laura. Ach ja, und Christophe, der Nutella auch gerne mal mit dem großen Löffel isst!








Kapitel 29: Alles Gute zum Geburtstag Hans Christian Andersen! (2. April)
Was flattert denn da? Als ich am Morgen des 2. Aprils aus dem Fenster schaue, muss ich mir erst einmal verwundert die Augen reiben. Da fährt doch glatt ein Bus vorbei, an dessen Seiten zwei dänische Flaggen wehen. Warum das denn? Nachforschungen ergeben dann, dass Hans Christian Andersen heute Geburtstag hat. Ganz Dänemark ist so stolz auf sein berühmtes Geburtstagskind, dass es seine Flaggen heute nur für ihn hisst. Das bedeutet natürlich auch, dass jeder einzelne Stadtbus (und davon gibt es hier viele) mit zwei Flaggen herumfährt.

Zu seinem Ehrentag öffneten Odenses Museen gratis ihre Pforten für Groß und Klein. Da ich die Andersen-Museen eh noch nicht gesehen hatte, wollte ich mir diese Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen. Da traf es sich gut, dass wir aufgrund des Lockouts nicht in die Schule gehen mussten. Laura, Miguel, Zsuzsanna und ich haben uns also auf unsere Räder geschwungen und sind bei Sonnenschein in die Stadt geradelt. Und dort wurde man förmlich erschlagen von dem Rot der dänischen Flaggen. Hier ein paar Impressionen:





Das Hans-Christian-Andersen-Museum an sich ist ganz nett, wobei ich wirklich kein Geld dafür ausgeben würde. Man erfährt viel über sein Leben und seine Arbeit und kann auch ein paar nette Ausstellungsgegenstände betrachten. Besonders schön fand ich ja die Scherenschnitte, die Kinder passend zum Thema Ostern angefertigt hatten. So kann ein Gækkebrev also auch aussehen (die die ich in der Schule bekommen habe, waren leider nicht ganz so filigran ;-) ):



Anschließend sind wir ins Børnekulturhuset Fyrtøjet, was ein Museum für Kinder rund um das Thema „Andersen-Märchen“ ist. Das fand ich richtig klasse! Kinder können ihrer Fantasie hier freien Lauf lassen und auch Erwachsene können ins Träumen kommen. Man kann sich auf einem Piratenschiff austoben, als Meerjungfrau in einer großen Muschel schlafen, sich als Prinz und Prinzessin verkleiden oder einen Zaubertrank kochen. Klar, dass wir es nicht ganz lassen konnten und ein bisschen mitgespielt haben…









Irgendwie war es schon ein bisschen verrückt wie sehr die Dänen den Geburtstag von Hans Christian Andersen feiern, obwohl er doch schon so lange tot ist. Aber so sind die Dänen eben! Das Geburtstagskind hat sich zur Feier des Tages dann auch noch mit uns ablichten lassen (für ein Lächeln hat es leider nicht gereicht. Liegt vielleicht am Alter, denn mit 208 Jahren würde ich auch nicht mehr lächeln). In diesem Sinne aber noch einmal: Tillykke med fødselsdagen Hans Christian Andersen!